Als Eltern stellen wir uns immer wieder die Frage: Wie können wir unsere Kinder am besten dabei unterstützen, zu verantwortungsvollen Erwachsenen zu werden? Eine mögliche Antwort bietet die Montessori-Pädagogik. Doch wer war Maria Montessori? Welche Werte wollte sie vermitteln? Wie kann die Montessori-Pädagogik in unserem Alltag Einzug halten? Und welche Montessori-Einrichtungen gibt es in Österreich?
Wer war Maria Montessori?
Maria Montessori war zweifelsohne eine Frau, die Ihrer Zeit voraus war: Geboren 1870 in der italienischen Provinz Ancona schloss sie als eine der ersten Frauen in Italien ein Medizinstudium mit dem Doktorgrad ab. Als Assistenzärztin an der psychiatrischen Universitätsklinik in Rom sammelte sie ihre ersten pädagogischen Erfahrungen. 1907 gründete Montessori dann nach einem Studium der Pädagogik und Anthropologie ihr erstes Kinderhaus in einem römischen Armenviertel. Dort machte sie wichtige Beobachtungen zur frühkindlichen Entwicklung und somit war dir Grundlage für ihre Methode, die Montessori-Pädagogik, gelegt. Diese verbreitete sich dann in Italien, Europa und schließlich weltweit.
Heute, über 100 Jahre nach ihrer Entstehung, ist die Montessori-Pädagogik neben speziellen Montessori-Einrichtungen auch in viele Regelschulen und -kindergärten eingezogen. Und auch in immer mehr Familien wächst das Interesse an den Methoden und Werten von Maria Montessori. Wir haben uns 7 zentrale Werte und Merkmale der Montessori-Pädagogik heraus gepickt und genauer angeschaut.
- Kinder wollen lernen
- Hilf mir, es selbst zu tun
- Die vorbereitete Umgebung
- Übungen des praktischen Lebens
- Montessori Materialien
- Kosmische Erziehung
- Friedenspädagogik
Kinder wollen lernen!
Maria Montessori war überzeugt davon, dass Kinder von sich aus lernen wollen und einen angeborenen Lerndrang haben. Sie sah jedes Kind als Individuum mit einer einzigartigen, Persönlichkeit und einem ganz eigenen Lernrhythmus. Diesen individuellen Lernrhythmus zu erkennen, zu unterstützen und zu fördern war eines der Ziele ihres Schaffens. Wie das geht? Durch Beobachtung! Das kann man ganz einfach Zuhause ausprobieren: Wer sein Kind beim Spielen beobachtet, kann recht schnell erkennen, wo die Interessen gerade liegen. Vielleicht sind feinmotorische Tätigkeiten wie Fädeln gerade interessant oder ist das Kind vielleicht gerade sehr an Farben interessiert? Hat man so eine Beobachtung gemacht, kann man gezielt mehr Spielideen aus diesem Bereich anbieten. Einige Ideen zu Montessori-inspirierten Motorik-Übungen finden sich hier.
Hilf mir, es selbst zu tun
„Ich“, „Alleine“ oder „Selber machen“ ist bei vielen Kleinkindern eines der ersten und beliebtesten Worte. Das dürfte auch Maria Montessori aufgefallen sein, denn das Motto „Hilf mir, es selbst zu tun“ ist ein ganz zentraler Punkt ihrer Pädagogik. Uns Eltern verlangt dieser Ansatz oft einiges an Geduld ab, aber Montessori war überzeugt davon, dass Kinder am besten durch eigene Erfahrungen lernen – auch wenn sie dabei vor allem am Beginn länger brauchen oder wenn mal etwas schief geht. Klassische Beispiele aus dem Alltag:
- Jacke und Schuhe anziehen
- Das Wasserglas auffüllen
- Butterbrot schmieren oder Jause vorbereiten
- Hände waschen
Unsere Aufgabe als Erwachsene ist es laut Montessori, die Kinder zu begleiten und die Umgebung so zu gestalten, dass Kinder selbst aktiv werden können. Je nach Alter können Kinder mit etwas Vorbereitung und Vertrauen auch komplexere Aufgaben bewältigen. So zum Beispiel allein Einkaufen – wie das aussehen kann, erfahrt ihr hier.
Die vorbereite Umgebung – Weniger ist mehr
Damit Kinder selbst aktiv werden können und wollen, muss laut Montessori die passende Umgebung geschaffen werden. Dazu gehören:
- kindegerechte Einrichtung/Ausstattung in passender Größe: Regale, an denen sich Kinder selbst bedienen können, Tische und Stühle in der richtigen Höhe, ein eigener kleiner Waschbereich im Bad – je mehr Möglichkeiten Kinder haben, selber aktiv zu werden, desto besser. Ideen zur Einrichtung eines Kinderzimmers nach Montessori und viel fundiertes Wissen zu dem Thema gibt es auf dem Blog „Eltern vom Mars“ von Montessori Pädagogin Anna Christina Jost.
- Ausgewählte Materialien: Heutzutage sind Kinderzimmer oft übervoll mit allen möglichen Spielsachen. Oft sind die Kinder überfordert von so viel Angebot und Reizen. In der Montessori-Pädagogik ist weniger mehr! Es wird empfohlen ausgewählte Spielsachen und Aktivitäten, passend zu den aktuellen Interessen bereitzustellen. Dieses Angebot kann man dann immer wieder rotieren und verändern. Zuhause kann man Spielideen oder Materialien auf Tabletts anbieten, die sich die Kinder dann selbstständig nehmen können. Die Tabletts sollten immer so gestaltet sein, dass alle benötigten Materialien ansprechend und übersichtlich darauf zu finden sind.
- Zur vorbereiteten Umgebung gehören nach Maria Montessori auch Erwachsene, die sich eher zurückhalten und wenn nötig vor allem beratend zur Seite stehen.
- Freie Wahl: Ist die Umgebung gut vorbereitet, sollen die Kinder möglichst frei wählen, womit sie sich wie lange beschäftigen möchten. Vor allem im schulischen Kontext heißt das aber nicht, dass Kinder in Montessori Schulen tun, was sie wollen und „Nichtstun“ steht auch in Montessorischulen nicht zur Wahl.
Im Alltag helfen und lernen: Übungen des praktischen Lebens
Ein wichtiges Prinzip der Montessori-Pädagogik ist es, dass Kinder schon von klein auf bei alltäglichen Tätigkeiten mitmachen und helfen können und sollen. Egal ob Tisch decken, Körperpflege oder Haushalt – Kinder packen gerne mit an und schulen so motorische und soziale Fertigkeiten.
Gerade in der Küche machen sich Kinder gerne nützlich. Ein so genannter Lernturm gibt schon den Kleinsten die Möglichkeit, mit dabei zu sein beim Teig kneten, Pizza belegen oder Salat waschen. Neben fertigen Modellen kann man so einen Lernturm auch selber bauen.
Montessori Materialien
Maria Montessori hat gemeinsam mit ihrem Sohn viele Materialien für Kindergarten und Schule entwickelt, die Kinder beim möglichst selbstständigen Erarbeiten von Wissen unterstützen sollen. Die originalen Montessori-Materialien sind sehr hochwertig, meist aus Holz und haben oft auch einen stolzen Preis. Für den Hausgebrauch gibt es aber inzwischen auch durchaus günstigere Alternativen auf Plattformen wie Etsy und einiges kann man auch relativ einfach als DIY-Idee umsetzen.
Kosmische Erziehung
Dieser Begriff wurde von Maria Montessori und ihrem Sohn Mario vor allem während der gemeinsamen Zeit in Indien entwickelt. Er bringt der Montessori-Pädagogik oft den Vorwurf esoterisch angehaucht zu sein. Montessori wollte im Rahmen der kosmischen Erziehung Kinder schon in jungen Jahren anleiten, Gesetzmäßigkeiten der Natur und globale Zusammenhänge besser zu verstehen. Wissen soll demnach nicht in Schulfächer eingeteilt und aus unterschiedlichen Bereichen beigebracht werden, sondern zusammenhängend. So sollen Kinder lernen verantwortungsvoll zu handeln und ihren eigenen Platz in der Welt finden. Der Begriff „Kosmos“ umfasst damit auch die Wechselbeziehungen von Mensch und Natur und der Menschen untereinander.
Ambitioniertes Ziel: Friedenspädagogik
Alle oben beschriebenen Werte und Grundprinzipien hatten für Maria Montessori ein Ziel: Kinder sollten so begleitet werden, dass sie sich zu selbstbewussten, eigenständigen und vor allem verantwortungsvollen Persönlichkeiten und Mitgliedern der Gesellschaft entwickeln, die ein friedvolles Miteinander pflegen und leben. Dieses Ziel hat auch gut 70 Jahre nach Montessoris Tod nichts an Aktualität und Bedeutung verloren. So erfreut sich die Montessori-Pädagogik heute zunehmender Nachfrage und es gibt Angebote für alle Altersstufen. Die Montessori-Institutionen sind folgendermaßen aufgebaut.
- Kleinkindgemeinschaft von 0-3 Jahren
- Kinderhaus für Kleinkinder von 3-6 Jahren
- Montessori-Schule mit Primarstufe 1 und 2 sowie Sekundarstufe 1 und 2 – die Kinder werden dabei in jahrgangsübergreifenden Klassen unterrichtet. In der Primarstufe 1 von 6 bis 9 Jahren, in der Primarstufe 2 von 9-12 Jahren, in der Sekundarstufe 1 von 12-15 Jahren und in der Sekundarstufe 2 von 15-18 Jahren.
Montessori in Österreich
Die Montessori-Pädagogik hat in Österreich schon eine lange Tradition: 1917 wurde in Wien das erste Kinderhaus eröffnet. Im 2. Weltkrieg wurden alle Montessori-Einrichtungen von den Nationalsozialisten geschlossen. Nach 1945 wurde die Montessori-Bewegung dann wieder aufgebaut. Heute gibt es eine bundesweit tätige Montessori-Gesellschaft und viele Einrichtungen im ganzen Land.
In und um Wien zum Beispiel folgende:
- Montessori Campus – Hütteldorf (von Kleinkindgemeinschaft bis Matura)
- Heureka Montessorischule in Mauer bei Wien (Primarstufe 1 und 2)
- Montessori International School Am Sonnenberg in Perchtoldsdorf (von Kleinkindgemeinschaft bis Matura)
- Lyra Montessori Lichtental im 9. Bezirk (Primarstufe 1 und 2)
- Galemo in Klosterneuburg (Primar und Sekundarstufe)
- Sowiedu im 10. Bezirk (Kleinkindgemeinschaft und Primarstufe)
- Evangelischer Montessori Kindergarten Wieden im 4. Bezirk (Kleinkindgemeinschaft und Kinderhaus)
In Linz:
- Kosmo Schule (Primarstufe und 1. Sekundarstufe)
Immer wieder werden auch neue Einrichtungen gegründet, so zum Beispiel die AMAVIDA International Montessori School im 17. Bezirk in Wien (Primarstufe), die im September 2023 ihre Tore öffnet und für das kommende Schuljahr auch noch Plätze frei hat. Besonders interessant ist hier das Stipendienprogramm, dass es auch Kindern aus einkommensschwächeren Familien ermöglichen soll, eine Montessori-Einrichtung zu besuchen.
Eine umfangreiche Liste mit Montessori Einrichtungen in ganz Österreich findet sich auf der Webseite der Österreichischen Montessori Gesellschaft.