Mit etwa 5 oder Jahren beginnt es – das Interesse an Zahlen und Schrift steigt merklich. Was wir machen können, um sie zu unterstützen? Ihren Interessen Aufmerksamkeit zukommen lassen, sich mitfreuen und sie im eigenen Tempo lernen lassen. Die Jüngste bei uns kommt im Herbst in die Schule und gerade beginnt sie, sich mit „Schulthemen“ zu beschäftigen. Was im vorigen Jahr die Buchstaben waren, sind aktuell die Zahlen. Momentan schreibt sie die Zahlen spiegelverkehrt. – Warum ich das nicht ausbessere und was als Unterstützung dienen kann, habe ich hier zusammengefasst.
Rechnen 1.0
Es begann vor einigen Wochen im Auto, als sie mir ungefragt vorrechnete, wie alt sie im Vergleich zu ihrer Schwester ist und wie alt sie beide in 3 und in 5 Jahren sein werden. Ich war mitgerissen von ihrer ehrlichen Begeisterung.
Nach nunmehr zwei Monaten daheim neben dem „Homeschooling“– und Lernalltag ihrer großen Schwester, hat sie nun auch das Rechnen am Papier gepackt.
„Mama, schreib mir Rechnungen auf! Bis 30 will ich rechnen, ich glaub, das kann ich gut!“ Ich habe ihr daraufhin ein paar Rechnungen auf einen Zettel ausgedruckt und sie ist im Kinderzimmer verschwunden. Kurz darauf kam sie wieder: dieses Strahlen und die ehrliche Aufregung und Freude hat mir schon verraten – sie hat alle Rechnungen gemacht!
Noch dazu (fast) komplett richtig. Zumindest auf den zweiten Blick, die Zahlen sind teilweise spiegelverkehrt am Papier.
Hilfe, mein Kind schreibt spiegelverkehrt?!?
Ich habe diese Geschichte auch so auf Instagram erzählt und war daraufhin mit vielen, vielen Nachrichten konfrontiert: Ob ich meine Tochter von Links- zur Rechtshänderin erzogen hätte oder ob ich sie nicht darauf hinweisen möchte, dass sie spiegelverkehrt schreibt? Sie müsse es doch gleich richtig lernen…
NEIN! das hab ich nicht. Ich habe ihr auch keine Anweisungen oder Tipps mitgegeben, „wie man das macht“ oder „wie man das schreibt“ – ich habe sie einfach das tun lassen, das gerade ihre Begeisterung geweckt und sie vollkommen eingenommen hat!
Ich werde auch dabei bleiben und ihr dann Rechnungen geben, wenn sie welche machen will und sie nicht ausbessern, wenn sie nicht danach verlangt. Ich werde ihr auch keine „korrekte“ Stifthaltung antrainieren. Sie nimmt ihre rechte Hand zum Schreiben, wie sie immer, wenn sie es für gut und leicht empfindet, ihre rechte Hand benutzt, um feinmotorische Arbeiten auszuführen.
„Viele Kinder schreiben Zahlen und Buchstaben zu Beginn (4-7Jahre) spiegelverkehrt. Oft fallen dann Anmerkungen, dass die Kinder Legastheniker wären oder Dyskalkulie hätten, das ist aber völliger Quatsch. Das ist ganz normal und ein Beweis dafür, dass Schreiben lernen viel mehr ist, als nur den Stift zu halten und zu führen. Das ist viel Gehirnarbeit! Wenn Kinder oft die Möglichkeit haben, Buchstaben und Zahlen (richtig geschrieben) zu sehen und diese dann auch zu schreiben, werden sie die Richtung schon selbst zurechtrücken. Sie sehen doch selbst, dass die Richtung nicht stimmt! Ich konnte das schon bei so vielen Kindern miterleben.“
– Anna Christina Jost, Montessori-Pädagogin
Ich habe mit Anna, der Montessori-Pädagogin und Homeschooling-Mama und anderen Eltern darüber gesprochen, dass meine Tochter spiegelverkehrt schreibt und bin noch bestärkter darin, sie ihren Weg gehen zu lassen und mich an ihrer Begeisterung mitzufreuen. So lange sie sich mit dem Rechengang an sich beschäftigen will, wird sie das machen und wenn sie soweit ist, wird sie auch den Unterschied der gedruckten / vorgeschriebenen Zahlen bemerken und hinterfragen. Wenn sie es anspricht oder einfordert, werde ich auch die Schreib- und Leserichtung mit ihr besprechen und ihr vorschreiben.
Seit dem regulären Unterricht in der Schule achtet sie von sich aus auf die Schreibrichtung von Zahlen und Buchstaben. Manchmal kommt es vor, dass sie spiegelverkehrt schreibt, das fällt ihr aber dann beim erneuten anschauen selber auf! Obwohl das erste Schuljahr von Distance Learning gekennzeichnet war, fiel es ihr nicht schwer, sich an die „Regeln des Schreibens“ zu halten.
Noch eine kleine Geschichte aus unserem Alltag:
Letztens am Heimweg von der Schule, wir plaudern über den Schultag und einen vergessenen Radiergummi, die sie wohl heute gebraucht hätte…
Ich: „Weißt du, dass jeder Fehler gefeiert werden sollte?“
I. (6): „Was? Wieso?“
Ich: „Wenn man nie was falsch machen würde, dann würden wir nie was dazu lernen. Es wäre einfach immer alles gleich. Darum ist jeder Fehler ein Grund zu feiern, denn so lernen wir immer. Ich übrigens auch. An jedem Tag.“
I, denkt kurz nach und grinst dann breit: „Super, dann feiere ich heute die 3, die ich in die falsche Richtung geschrieben habe, sah eh komisch aus!“
Es ist immer der Blickwinkel. Und der von uns Eltern ist besonders wichtig. Wir können (Regel)Schule, Lehrpläne und Pädagogikleitlinien nicht ändern, aber wir müssen den Kindern die liebevolle und bedingungslose Basis bieten, die sie wachsen und feiern lässt.
Hallihallo, 🙂
das war jetzt die erste Seite zum Thema mein Kind schreibt spiegelverkehrt, die ich angeklickt habe. Ich fand deinen Beitrag super schön geschrieben und du sprichst mir aus der Seele. Mein Alex is grad in die erste Klasse gekommen und schreibt eben auch immer wieder spiegelverkehrt. Ich hab ihm erklärt dass ich das nicht so gut könnte und es mich fasziniert dass er ‘normal’ und spiegelverkehrt schreiben kann und das aus meiner Sicht was Besonderes ist. 🙂 Ich finde es schön wenn mein Kind auch einfach mal anders ist. Die Schule und Gesellschaft zurrt vor allem die Kinder eh sehr extrem fest und versucht sie an Normen und Regeln anzupassen. Schön wenn es Mamas wie dich gibt, die das nicht so eng sehen und den Kindern Freiräume zur Individualität lassen.
Liebe Grüße
Sandra aus Niederbayern (44)
Vielen Dank für die netten Worte!
Ja, im Sinne der Kinder lohnt es sich, oft ein bisschen „out of the box“ zu denken und zu handeln.
Alles Liebe,
Daniela
Hallo.
Ich habe gerade versucht, meiner Tochter die Anwendung der Hundertertafel (2.Klasse. Alle Zahlen von 1 bis 100 in Zehnerreihen untereinander) zu erklären. Ich wollte, dass sie versteht, worum es geht, und nicht nur einfach stumpfsinnig den Anweisungen folgt. Sie schreibt seit Schulbeginn oft spiegelverkehrt (nicht schlimm und auch nicht sehr hinderlich) und verwechselt Zehner und Einer (sehr hinderlich, weil bei richtigem Denken ein falsches Ergebnis herauskommt und auch im Verständnis entstehen so Blockaden). Sie hat ein sehr gutes Gedächtnis und hängt auch sonst nicht hinterher. Aber durch diese deutliche Schwäche sieht die Hundertertafel anscheinend für sie aus wie ein willkürliches Labyrinth anstatt wie ein logisches Hilfsmittel. Ihre Leistungen sind allerdings zu gut, um sie eine Klasse zurücksetzen zu lassen, um ihr mehr Entwicklungsruhe zu geben. Hat jemand einen Tip? Helfen Übungen wie bei einer Rechts-Links-Schwäche?
Hallo Johanna,
Ich weiß ja nicht, wie ausgeprägt das verwechseln der Einer und Zehner bei deiner Tochter ist…
Mein Sohn ist gerade in die zweite Klasse gekommen und er hat in der ersten Klasse das gleiche Problem gehabt. Davon abgesehen ist er ein sehr guter Schüler (sowohl in deutsch als auch in Mathe). Mittlerweile passiert der „Fehler“ so gut wie gar nicht mehr.
Ich habe mir dabei keine Sorgen gemacht, weil meiner Ansicht nach die deutsche Sprache in der Hinsicht eher unlogisch ist. Warum vertauschen wir in unserer Sprache Einer und Zehner, obwohl wir es bei Hunderten und Tausendern nicht tun. Die englische Sprache ist der Stelle logischer aufgebaut.
Allerdings bin ich kein Pädagoge, sondern nur Ingenieur und Vater.
Hallo,
ich habe bei der Google-Recherche eure Seite gefunden zum Thema Spiegelschrift. Ich bin seit 16 Jahren Erstklasslehrerin und beobachte das Phänomen immer wieder. Meistens legt es sich innerhalb eines Jahres. In der 2. Klasse taucht es plötzlich wieder auf. Ich glaube, dass es die ureigentliche Richtung vieler Kinder ist. Spannender Artikel dazu: https://www.sueddeutsche.de/bildung/legasthenie-gegen-den-strom-schreiben-1.4162290
Ich kenne die Frau Dünßer persönlich. Sie empfiehlt für diese Kinder das Lesen UND Schreiben in Spiegelschrift. Beim Schreiben von der Mittelachse eines Heftes ausgehend nach rechts in gewöhnlicher und nach links in unüblicher gespiegelter Richtung. Einfach Wörter „normal“ und „unüblich nach links/spiegelverkehrt“ schreiben. Die Kinder sind intelligent, meist mündlich recht stark, lernen schnell übers Hören/auswändig. Beginnen Hefte gerne rechts (Blätter einkleben). Schreiben gern von unten nach oben, die Kugeln bei o d b a gerne andersherum…. Ich lasse mir mit dem Buchstabenlehrgang immer bis Juli Zeit (also langsam) und übe stur die Schreibrichtung ein. Von links nach rechts (an der Tafel immer die Wörteranalyse von BIldkarten – Woche für Woche – super für die Schwächeren, die Schnelleren machens willig mit).
Ich hoffe, ich konnte etwas helfen?
https://www.change.org/p/kultusminister-prof-dr-michael-piazolo-gleiche-bildungschancen-f%C3%BCr-kinder-mit-legasthenie-wie-kinder-mit-migrationshintergrund
Hallo!
Danke für diesen Beitrag!!!!! Meine Tochter ist 5 und geht noch ein ganzes Jahr in den Kindergarten. Zeichnen, malen, schreiben… all das hat sie lange gar nicht interessiert. Seit einiger Zeit malt und bastelt sie sehr gerne… allerdings nur nach ihren Vorstellungen und ich lasse sie. Ihren Namen und es ist ein einfacher Name (NINA) schreibt sie seit etwa einem halben Jahr. Das hat sie auch lange überhaupt nicht interessiert und eines Tages hat sie mich plötzlich überrascht und ihren Namen geschrieben und das komplett richtig. Ich war völlig aus dem Häuschen. Seit kurzem kommt es aber immer wieder vor, dass sie ihren Namen spiegelverkehrt schreibt. Warum sie das tut, weiß ich nicht und sie kann es mir natürlich auch nicht erklären… aber es hat mich irgendwie ein wenig geschockt und ich habe sofort das Gefühl bekommen, dass ich ihr das nicht so weiterführen lassen darf und ich es ihr „abgewöhnen muss“ um etwaige Probleme in der Schule zu vermeiden. Ich muss dazu sagen, dass ich da ein wenig geschädigt bin, da ich ständig vom Kindergarten höre, was wir nicht alles tun sollten um ihre Feinmotorik zu fördern… sie kann dies nicht, sie kann das nicht (zB mit einer Schere umgehen). Mag sein… aber wie gesagt, vor kurzem war ja noch nicht mal das Interesse am malen und basteln da. Was hätte ich tun sollen? Sie zwingen was zu basteln!?!?) Ja, sie hinkt motorisch anderen Kindern hinterher… sie ist aber auch erst mit 21 Monaten gelaufen – dann dafür aber perfekt! Und, sie hat andere Stärken… sie merkt sich viel und kann Liedertexte und Gedichte sehr schnell auswendig und ist sprachlich (Wortschatz und Aussprache) so manchem Schulkind überlegen. So viel zum Hintergrund… dieser Beitrag hat mir jedenfalls gerade echt meinen Druck genommen, ihr die Spiegelschrift „abgewöhnen zu müssen“. DANKE!!! Jetzt kann ich das auch gelassener nehmen.
Ich danke dir für deine offenen Worte. Ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist, nicht unter Druck zu geraten, aber vertrau deinem Kind, es wird seinen Weg machen. Du kannst ja immer wieder fördernde Sachen anbieten (Schere, Stifte, Perlen zum Fädeln….), um an der Feinmotorik zu feilen, allerdings wie sagst, es muss von ihr kommen.
Hier ist ein Beitrag, in dem ich einige alltägliche Sachen als Beispiele für spielerische Bastel-Ideen zeige: https://diekleinebotin.at/diy-und-bastel-material-fuer-kinder-von-2-6-jahren/
vielleicht ist da was dabei, was ihr gefällt oder dich auf Ideen bringt.
Hier sind auch noch ein paar Ideen:
https://diekleinebotin.at/schneide-box-feinmotorik/
https://diekleinebotin.at/wir-lernen-im-tun-einfache-motorik-uebungen-fuer-kinder/
Alles Liebe euch!
Daniela