Wenn ich ein Chamäleon bin, dann bin ich sehr genau. Ich passe mich nicht einfach irgendwie an. Nein. Setze ich mich auf einen Baum mit grünen Blättern und dann werde ich nicht einfach nur grün. Ich achte ich ganz genau auf die Grünschattierungen. Ich verbringe viel Zeit damit, die Blätter zu studieren, sie kennenzulernen – um mich genau anzupassen, um ja nicht aufzufallen. Um zu gefallen. Um nicht gesehen zu werden.
Manchmal vertrödle ich damit meine Zeit.
Ich habe eine Sohn. Wenn dieser Sohn ein Chamäleon ist, und sich auf einen grünbeblättert Baum setzt, dann wird er nicht. Er ist dann. Königsblau. So, wie er eben ist. Königsblau. Bedingungslos königsblau. Dabei ist er nicht trotzig, nicht aggressiv, nicht aufmüpfig. Er ist, wie er ist. Und so mag er sich. Bedingungslos. Königsblau weiß genau, was er will. Er ist hoch integer. Es macht das Zusammensein mit anderen Menschen etwas schwierig.
In meinem königsblauen Sohn wohnen zwei Kinder. Eines davon ist nicht 10, sondern vier Jahre alt. Dieses Kind braucht ganz viel das, was ein Vierjähriger eben so braucht. Und dieses Kind tut auch ganz viel das, was ein Vierjähriger so tut. Und dann gibt es noch den 32-Jährigen. Der ist hoch empathisch, hat eine Selbstausdruck und eine klare Wortwahl, dass ich nur so schaue. Der sagt auch zu mir so was wie: “Mit dir kann man nirgendwo hingehen!“ – und lächelt mich dabei an. Ich stelle mir das schwierig vor, so zwei in einem Körper zu haben.
Der königsblau Sohn mag Veränderungen gar nicht. Er fühlt sich als Königsblauer in unserer bunten Familie wohl. Da kann er so sein, wie er ist, sagt er. Was uns vor die eine oder andere Herausforderung stellt, weil uns das manchmal schon aufregt!
Das kann die bist zur Selbstaufgabe adaptionsfähige Mutter nicht verstehen. Ich kenne das so nicht. Mir macht Königsblau Angst. Angst vor der Zukunft. „Man muss sich doch anpassen!“. Wo eigentlich genau? In der Schule, in der Familie? Ich glaube, in der Schule hat Königsblau einfach die Luft angehalten und ist dadurch ein bisschen ins Lila abgedriftet. Aber angepasst hat er sich nicht. Und zu Hause hält er die Luft nicht an. Aber bestimmt nicht!
Was habe ich nicht alles versucht, um Königsblau die anderen Farben schmackhaft zu machen! Seine Antwort war oft: „Mama, ich werde es versuchen. Ich kann es dir nicht versprechen!“ Was kann diese Kind in meinem Gesicht lesen, wenn es wieder einmal seine prächtige Farbe vor sich herträgt: Angst und Ablehnung. Na gratuliere! Was habe ich geredet, wie man zu sein hat. Eh nur in den kleinen Dingen in der Öffentlichkeit. Zumindest. Wenn ich sage, dass ich mich sorge, dann sagt er sowas wie:“Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen!“ Das war der 32Jährige.
Angst ist ein schlechter Ratgeber. So habe ich den Rat befolgt, den ich unlängst Klienten mit auch einem königsblauen Kind gegeben habe (denn davon gibt es einige!): Was sind denn die Momente, wo ihr die Liebe zu eurem Sohn spürt? Gibt es Bilder davon? An was erinnert ihr euch? Und dann geht es darum, sein Hiersein zu feiern. Sich selbst ein liebevolles Gesicht zaubern beim Anblick des Königsblauen.
Und noch etwas: Ich habe herausgefunden, wie ich ihn erreichen kann. Wenn ich selbst aufhöre, auf das Außen zu achten, mich nicht mehr an den Grünschattierungen dieser Welt orientiere, sondern ganz in mich hineingehe, und horche, was ich wirklich sagen will. Was mir am Herzen liegt. An dem Ort, an dem ich echt bin. Und wenn ich dann spreche, dann wird es ganz warm zwischen uns und das Königsblaue Herz beginnt rot zu leuchten.
Sandra Teml-Jetter, Einzel,- Paar-& Familiencoach, Frau & Mutter