Christkind und Zahnfee | FREITAGSGESCHICHTEN

zahnfee freitagsgeschichte 1 1

zahnfee freitagsgeschichte 1 1

HIER SCHREIBT ALVA. EHRLICH UND ECHT – AUS DEM LEBEN MIT KINDERN & MIT DEM NÖTIGEN SCHUSS HUMOR:

Das Christkind gibt es nicht

 

Natürlich war mir klar, dass irgendwann der Moment kommen wird, an dem mein großes Mädchen die alles entscheidende Frage stellt. Die, die mit dem einen beobachtenden Blick begleitet wird, der keine noch so kleine Unwahrheit zulässt. Und der auch wenig Spielraum fürs drumherum Reden bietet.

Kam ich letztes Jahr noch mit einer meiner berühmten Gegenfrage : “Ja glaubst du denn noch daran?“ durch, war heuer ganz klar eine eindeutige ja/nein Antwort gefragt.

Aber dass mich ausgerechnet die blöde Zahnfee verrät, die ich von allen Erfindungen immer schon am wenigsten mochte, war dann echt bitter.

Mittleres Mädi hatte nämlich einen Wackelzahn. Und da zwischen dem ersten Wackelzahn von Mädchen Nummer eins und diesem ein paar Jährchen lagen, habe ich komplett vergessen, dass die Zahnfee beim ersten Zahn bei uns ja etwas Besonderes bringt. Bei Mädchen Eins war das damals ein wunderschöner kleiner Kristall.

Nur dem Umstand des Vergessens ist es zu verdanken, dass ich nicht vorausschauend irgendwas Kleines besorgt hatte, als wir das Wochenende zu meinen Eltern starteten. Und genau darum war ich total alarmiert, als meine goldene Mitte am Samstag Abend in der oberösterreichischen Idylle schrie: „Ich glaube er ist bald raus!!!!“

„Wer?“ Ich wusste aber bereits, dass jetzt nichts Angenehmes kommen konnte.

„Na mein Zahn! Den reiß ich mir jetzt raus!!!! Denn vielleicht bekomm ich auch von der Zahnfee ein hübsches Geschenk.“

Ahhhhhh!!

„Schatz, lass ihn lieber noch ein wenig drinnen. Vielleicht will der Zahn noch nicht raus.“ Der Satz war schneller draußen, als Clint Eastwood jemals seinen Colt gezogen hat.“

„Wieso?“ fragten das mittlere Mädi und das größte Mädi unisono und schauten mich fragend an. „Du sagst doch immer, wenn er wackelt dürfen wir ihn auch rausreißen.“ hängte das Mittelkind noch an.

„Ja, eh, aber tu dir halt nicht weh.“ Sie wackelte wie verrückt und ich versuchte fieberhaft zu überlegen, welche Tankstelle wohl im nächst größeren Ort noch offen haben könnte, um irgendein Zahnfeekinkerlitzchen zu besorgen.

Aber wir reden von einem Dorf in Oberösterreich. Da haben auch die Tankstellen Mittagspause und sperren pünktlich um 18.00 zu. Ich suchte meine Mutter auf und flüsterte ihr mit rasanter Geschwindigkeit mein Problem. Und fragte, ob sie nicht irgendeinen Ramsch gebunkert hat, den mein Kind noch nicht gesehen hätte und der nicht aussah, als würde er schon seit Jahren herumliegen. Meine Mutter durchforstete sofort ihr Reich, aber weder die Kosmetiktasche von Yes Rocher, noch die Duftkerzen der Apotheke gingen wohl als Geschenke der von mir ungeliebten Fee durch. Ich übersah bei dem ganzen „im Haus herumirren“ und „nach geeigneten Gegenständen suchen“ komplett mein großes Kind. Das mir die ganze Zeit neugierig hinterher geeilt war. Und sie machte sich bemerkbar, als ich gerade einen kleinen Tonzwerg aus einem Blumentopf zog.

„Mama, was machst du da?“

Ertappt drehte ich mich um. „Nichts. Wieso?“

„Mama, bist du panisch, weil die Zahnfee eventuell morgen kein Geschenk hat?“

„Wiesooo?“ Ich versuchte möglichst unschuldig zu schauen.

„Mamaaaa, ich bin nicht blöd. Du bist die Zahnfee oder? Sag mir die Wahrheit!“

Ich überlegte kurz und entschied mich dann für die Wahrheit, darum nickte ich gottergeben. „Das dachte ich mir schon.“ „Und der Osterhase den ich immer bisschen komisch fand….“ Ich nickte weiter…“Und das Christkind, der Nikolaus…“ Ich setzte zu einer Erklärung an und nuschelte Sätze wie: …gab es schon, aber bringt keine Geschenke…“

Wissend nickte mein großes Kind. Sie wirkte nicht besonders geschockt. Aber dafür wurde mir mächtig schwer ums Herz und ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszuheulen. Mein großes Kind. Jetzt wusste sie also Bescheid. Sie war schon so groß und so gescheit und überhaupt. Und gerade als ich sie in den Arm nehmen wollte, eigentlich damit sie mich trösten konnte, sagte sie: „Und was ich auch immer schon fragen wollte: „Das, das man macht zum Kinder kriegen, macht man das immer nur sooft wie man Kinder will oder öfter? Und wenn öfter, wieso?“

Und vorbei war der Moment der Sentimentalität und wich einer kleinen Panikattacke. Darauf war ich nun wirklich nicht gefasst und darum war ich so unendlich froh, dass wir vom Schlafzimmer den Jubelsturm hörten, der uns sofort zu unserem Mittelkind laufen ließ: „Er ist rauuuuuuuuus!!“

 

PS: Die Zahnfee hat einen tollen Glitzeranhänger gebracht, der in den tiefen der Schmuckkassette meiner Mutter gefunden wurde.

Illustration: Susanne Binder

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