Ich würde mich selbst als sehr friedliche Person bezeichnen aber letztens ist es passiert und ich bin so richtig wütend geworden. Warum? Weil sich jemand eingemischt hat und zwar einfach so, ohne Vorwarnung und ohne weitere Erklärung. Was passiert ist und was ich daraus mitnehme.
Ein langer Tag
Es war ein langer Tag, ich war mit den zwei Mädels am Heimweg vom Spielplatz und kurz vor der Haustür haben wir nochmal einen Zwischenstopp eingelegt zu einer letzten Runde auf den Drehscheiben. Dann kam, was kommen musste. Ein Wutanfall der Kleinen. Warum? Ich weiß es nicht mal mehr genau, vielleicht wollte sie nicht nach Hause, vielleicht habe ich den Helm zu schnell oder zu langsam abgenommen, vielleicht wollte sie ihn auch selbst runternehmen oder war ihr Lieblings-Drehscheibe nicht mehr frei?
Wer weiß schon warum, das ändert auch nichts am Ergebnis: Die Kleine versteckt sich schreiend hinter der Sitzbank und ärgert sich lautstark. Ich weiß, dass es jetzt nichts bringt, auf sie einzureden, sondern dass abwarten und aussitzen manchmal die einzig richtige Strategie ist. Also stehe ich da und warte als plötzlich eine ältere Dame vorbeigeht, uns stirnrunzelnd anschaut und halblaut sagt: „Tolle Erziehung!“ BÄM – das hat gesessen.
Tolle Erziehung!?
In solchen Momenten bin ich sonst meist so perplex, dass ich gar nicht schnell genug reagieren kann. Aber diesmal nicht. „Wie bitte? Wollen Sie mir etwas sagen?“ fahre ich die Frau an. Doch sie geht einfach weiter, würdigt mich keines Blickes. Ich gehe ihr ein paar Schritte nach und sage: „Wenn Sie ein Problem haben, können Sie gerne stehen bleiben und mit mir sprechen!“ Aber nichts, die scheinbare Erziehungsexpertin geht einfach weiter. Und ich bleibe zurück, mit einem schreienden Kleinkind, meiner großen Tochter, die mich mit großen, fragenden Augen anschaut und meiner Wut im Bauch.
Wo die Wut herkommt
Im Nachhinein habe ich mich gefragt, was mich eigentlich so sehr ärgert daran? Und beim Nachdenken bin ich drauf gekommen, es sind gleich mehrere Sachen:
In die Erziehung einmischen
Erziehung – ich mag das Wort eigentlich gar nicht so gerne. Vielmehr geht es doch um die Beziehung die wir zu unseren Kindern haben und die Verbindung zwischen uns. Doch egal wie wir es nennen – es ist etwas sehr persönliches und individuelles. Es gibt so viele Dinge die zusammenspielen:
- Wie geht es uns gerade selbst?
- Haben wir genug geschlafen?
- Sind wir im Job gerade besonders gefordert oder gestresst?
- Wie sind die Kids drauf?
- Sind sie gerade in einer besonderen Entwicklungsphase?
- Hatten sie einen anstrengenden Tag in Kindergarten oder Schule?
Aus all diesen Dingen ergibt sich dann unser Alltag. Ein Alltag, der uns auch ohne Kritik von außen nicht selten an unsere Grenzen kommen und zweifeln lässt. So frage auch ich mich oft genug: Mache ich das wirklich gut? Was könnte ich besser machen? Wie kann es mir gelingen gelassener zu sein, weniger zu schimpfen, den Alltag entspannter zu erleben?

Solche Selbstzweifel und Unsicherheiten werden durch Kritik von Außen nur noch lauter, auch wenn ich im Grunde weiß: Niemand ist perfekt, ich bin gut so, wie ich bin und versuche stets mein Bestes zu geben! Ich kenne diese Affirmationen und versuche, sie mir auch immer wieder präsent zu machen. Doch offene Kritik daran, wie wir mit unseren Kindern umgehen, ist nur schwer gelassen hinzunehmen. Und ich finde, das müssen wir auch nicht – zumindest nicht von jedem!
Der Kommentar einer Wildfremden
Die Dame auf der Straße kannte weder mich, noch meine Kinder, noch die Beziehung, die ich zu ihnen habe. Sie sieht einen kleinen Ausschnitt eines langen Tages und erlaubt sich dann ein Urteil zu fällen. Das geht einfach gar nicht. Sie hat nämlich nicht gesehen, wie ich am Morgen Toastbrot in mundgerechte Stücke schneide – ohne Rinde versteht sich, wie ich Schuhe anziehe und dann wieder aus, weil die Kleine das selber machen will. Sie weiß nicht, wie ich nach der Arbeit in den Kindergarten hetze, damit die Kinder nicht zu lange in Betreuung sind. Sie sieht nicht, wie wir gemeinsam beim Bäcker Kaffee und Babyccino genießen und uns lachend über den Tag unterhalten. Sie sieht auch nicht wie wir gemeinsam am Spielplatz im Sand graben und Sand-Eis fabrizieren. Sie sieht das alles nicht.
Sie sieht nur das schreiende Kleinkind und mich, die einigermaßen entspannt daneben steht und einfach abwartet – sie sieht eine Mama, die in ihren Augen vermutlich zu wenig macht, um das Kleinkind ruhig zu stellen. Und dann erlaubt sie sich ein Urteil zu fällen, ein Urteil das weh tut und einfach falsch ist!
Die fehlende Reaktion
Was mich an der ganzen Situation am allermeisten ärgert ist aber, dass die Dame einfach weitergegangen ist und sich der Situation nicht gestellt hat. Sie hat auf meine Frage gar nicht reagiert, hat einfach starr auf die Straße geschaut und ist schnellen Schrittes weitergezogen. Wenn man schon den Mund aufmacht, Kritik übt und sich in die Erziehung einmischen will, dann sollte man sich auch der Reaktion stellen. Vielleicht hätte sie ja wirklich ein Wundermittel parat gehabt, wie man ein Kind mit Wutanfall beruhigen kann? So etwas würde ich dankend annehmen! Spaß beiseite – ich finde, wenn man keine Konfrontation möchte, darf man so eine Kritik auch nicht aussprechen!

Meine Learnings
Der Vorfall hat mich die letzten Tage immer wieder beschäftigt, ich habe mit einigen Freunden darüber gesprochen und das Schreiben dieses Beitrags hat mir auch nochmal geholfen, für mich ein paar wichtige Erkenntnisse und Learnings zu gewinnen.
- Achtsam sein mit Worten, Gesten und Blicken! Egal wo wir unterwegs sind: Wir sollten mit unseren Worten aber auch mit unseren Blicken stets sorgsam und achtsam umgehen. Worte sind natürlich am offensichtlichsten aber auch ein schräger Blick oder eine hochgezogene Augenbraue können ausreichen, um unser Gegenüber zu verletzen – gerade wenn sich dieses Gegenüber eh schon in einer Stresssituation befindet.
- Empathie ja, Einmischung nein! Ich habe bei Wutausbrüchen der Kinder auch oft schon das Gegenteil von übergriffiger Einmischung erfahren und zwar Empathie: Ein aufmunternder Blick, ein wissendes Kopfnicken oder ein „Ich kenne das!“ von anderen Eltern hat mir schon oft geholfen und gezeigt: Du bist nicht allein! Also seid empathisch, bietet gerne auch eure Hilfe an aber bitte nehmt Abstand von Kommentaren oder gar zu gut gemeinten Ratschlägen!
- Mut haben und reagieren! Was ich auf jeden Fall gelernt habe und worauf ich stolz bin: Man muss so eine Einmischung auf keinen Fall auf sich sitzen lassen! Kontra zu geben tut einem nicht nur selbst gut, sondern macht auch dem Gegenüber bewusst, dass da gerade eine Grenze überschritten wurde.
Habt ihr schon mal eine ähnliche Erfahrung gemacht und wie habt ihr reagiert? Bzw. was hättet ihr an meiner Stelle gemacht? Ich würde mich über den Austausch in den Kommentaren freuen!
Hallo liebe Doris,
ich bin auf deinen Blog gestoßen, weil ich gegoogelt habe, wir ich mich nicht mehr über ungefragte Kritik an unserer Erziehung aufrege.
Gestern brüllte mein Mann unsere zwei Jungs im Garten an. Ja, es war nicht pädagogisch wertvoll.
aber wir Du bereits geschrieben hast, niemand kennt unsere Familie und weiß wie diese Situation zu Stande kam.
Und unser Nachbar, zu dem wir eigentlich ein gutes Verhältnis haben, etwas älter als wir mit drei erwachsenen Töchtern (wir haben drei Jungs zwischen 6 und 15) erdreistet sich ein paar Minuten später mir vor der Haustür zu sagen, dass mein Mann im Garten die Kinder anschreit „wie ein Irrer“.
Ich habe dann versucht zu erklären, warum dieser Brüll nötig war, aber für ihn war das nicht nachvollziehbar.
Mich hat dieser ungebetene Kommentar echt wütend gemacht. Mein Mann, dem ich das (leider) erzählt habe, hatte den Rest des Abends miese Laune.
Wie reagiert man auf sowas, ohne dem anderen an den Kopf zu knallen „ich hab dich nicht um deine Meinung gebeten“.
Ich empfinde das als extrem übergriffig und es beeinträchtigt mein Wohlbefinden, weil ich mich jetzt irgendwie unter Beobachtung fühle.
viele Grüße
Liebe Kirsten,
vielen Dank für deinen Kommentar und das Teilen deiner Erfahrung – ich kann so gut mitfühlen, wie dich das beschäftigt hat. Es ist wirklich nicht leicht, wenn jemand von außen so eine Szene beobachtet und sich dann das Recht nimmt, zu urteilen – ohne Kontext, ohne Nachfrage, ohne Einfühlungsvermögen.
Gerade wenn man als Familie mitten in einer fordernden Situation steckt (und wer kennt die nicht?), braucht es nicht noch zusätzlich Druck oder Bewertung von außen. Dass dein Mann laut wurde, ist menschlich. Wir alle haben unsere Grenzen, und manchmal ist ein lauter Ton der Ausdruck davon – vielleicht nicht ideal, aber verständlich. Was aber eben niemand sieht: die vielen leisen Momente dazwischen. Die Liebe, die Geduld, das Bemühen, die Wiederholungen, das Kümmern. All das, was wirklich zählt.
Ich finde es ganz stark, dass du versucht hast, die Situation zu erklären – auch wenn es leider nicht auf Verständnis gestoßen ist. Und ich verstehe auch sehr gut, wie verletzend es ist, sich dann beobachtet oder gar verurteilt zu fühlen. Gerade im nachbarschaftlichen Umfeld, wo man sich ja eigentlich sicher fühlen möchte.
Ich habe für mich gemerkt, dass solche Kommentare oft mehr über den anderen aussagen als über mich oder meine Familie. Vielleicht hatte dein Nachbar in dem Moment das Bedürfnis, seine eigene Vorstellung von „richtig“ zum Ausdruck zu bringen – und hat dabei vollkommen vergessen, dass Mitgefühl und Respekt wichtiger wären.
Was mir hilft, ist mir bewusst zu machen: Wir müssen uns nicht rechtfertigen. Wir dürfen unsere Grenzen wahren. Und ja – manchmal darf die Antwort auch sein: „Danke, aber das ist unsere Angelegenheit.“ Freundlich, aber klar. Mir hat es damals bei meinem „Vorfall“ sehr geholfen, dass ich mich getraut hab, was zu sagen, dass ich nicht verstummt bin und mich nur innerlich geärgert habe. Natürlich ist es leichter einer „fremden“ Person gegenüber direkt auf so was zu antworten, aber das Gespräch zu suchen, hat mir auf jeden Fall geholfen!
Ich wünsche dir von Herzen, dass du diesen Vorfall ein Stück weit loslassen kannst – und dir bewusst machst, dass du nicht allein bist mit solchen Erfahrungen und Gefühlen. Danke nochmal fürs Teilen – ich finde es so wichtig, dass wir offen über solche Situationen sprechen.
Alles Liebe
Doris