Es ist ein Dienstag wie jeder andere auch. Wir sind gerade vom Kindergarten nachhause gekommen und meine Tochter wäscht sich die Hände und geht ins Kinderzimmer. Dann fällt mir ein, dass ich einer Freundin versprochen habe, noch eine Besorgung zu machen. (Hier an dieser Stelle wäre der Perspektivenwechsel in der Erziehung sehr hilfreich gewesen….) Dazu müssen wir später nochmals los. Ich sage meiner Tochter kurz Bescheid, sie nickt. Etwa eine Stunde später drängt dann schon die Zeit, ich gehe ins Kinderzimmer und rufe: „Wir gehen jetzt! Komm, bitte!“ …. keine Reaktion. Ich schaue auf die Uhr, ärgere mich innerlich über meine Verpeiltheit. Rufe etwas lauter nochmal: „Wir müssen jetzt los!“ … wieder nichts.
Ich gehe ins Kinderzimmer, meine Tochter sitzt völlig vertieft in der hinteren Ecke des Zimmers in Mitten ihrer pastellfarbigen Ponys. Sie hat mich nicht wahrgenommen und spielt seelenruhig ein Rollenspiel.
„Ach komm bitte, wir müssen gehen!“ – Sie dreht sich zu mir um, sieht mich verständnislos an und sagt: „Nein, ich will nicht.“
…
Perspektivenwechsel in der Erziehung – Trau dich, die Welt durch die Augen deines Kindes zu sehen! Weil es deine Erziehung verändern wird.
Was dann weiter geschehen ist?
Es ist eine leider unschöne Szene gefolgt. Laute Stimme, Gereiztheit, Diskussion, Streit, Tränen – das volle Programm.
Wir Eltern kennen das alle! Es kann im Alltag immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten und unterschiedlichen Ideen und Zeitpräferenzen kommen, das ist völlig normal und sagt aus, dass die Kinder genau das machen, was wir uns für sie wünschen. Sie fordern ein, was sie gern hätten, tun ihr momentanes Bedürfnis kund und stehen wehement für ihre Anliegen ein.
Diese kindlich ungefilterten Reaktionen auf ein von uns gewolltes Programm oder die Zeiteinteilung, die dem Kind gerade nicht entspricht, ist dann das, womit wir Eltern umgehen müssen. Emotionen (aus)halten und begleiten und da sein. Und beim nächsten Mal reflektiert und rechtzeitig die Kommunikation wertschätzend und kindgerecht anzulegen.
The world through your eyes
Wenn ich es geschafft hätte, die Welt durch ihre Augen zu betrachten, dann hätten wir uns eine aufgebrachte Situation mit viel Ärger und Tränen ziemlich wahrscheinlich ersparen können.
Etwa so: Ich setze mich auf den Boden, sehe beim Spiel zu. Ich höre, wie die Ponys miteinander sprechen, sehe sie über kleine Zäune springen. Bin plötzlich mittendrin… jetzt weggehen? Undenkbar.
Der Perspektivenwechsel verlangt einem schon was ab: Man muss sich erstmal „trauen“ aus der gewohnten (Körper)Haltung zu fliehen, nicht weiter aufs Kind herabzuschauen, sondern sich (auch oder vor allem wenn die Zeit drängt) einfach auf die Augenhöhe begeben. Tief atmen und kurz innehalten, Kontakt aufnehmen, in Beziehung gehen. Leichte Berührungen, sanftes Streicheln. Leise den Namen sagen und die Reaktion und die Aufnahme des Augenkontakts abwarten. Dann sprechen. In klaren Worten und einfachen Sätzen, am besten in der „persönlichen Sprache“, deren Sätze mit einem „Ich…“ beginnen.
„Ich muss nochmals los heute und möchte, dass du dich anziehen kommst.“
Die Reaktion kann ungehalten sein, wenn es gerade gar nicht passt, aber in vielen Fällen ist die Kooperation so recht gut erreichbar.
Ein Perspektivenwechsel dient vor allem dazu, sein Gegenüber zu verstehen und nichts mit Helikopter Eltern zu tun. Das ist nicht nur aber vor allem im Umgang mit Kindern immens hilfreich. Wenn wir verstehen, warum ein Kind etwas unbedingt will oder partout verweigert, dann ist es zumindest so nachvollziehbar, dass wir nicht in der Sekunde lospoltern müssen.
Das Kind hat grundsätzlich recht mit seinem Verhalten und seinen Entscheidungen, weil es immer einen stichhaltigen Grund dafür gibt; sei es ein unerfülltes Bedürfnis oder ein anderes Thema, das wahrgenommen werden will. Ist dies geklärt, verschwindet auch der Grund für sein Verhalten.
Naomi Aldort in „Die Schimpf-Diät“
Wenn ein richtiger Ausbruch droht – wir wollen mal vorsichtig „Wutanfall“ dazu sagen, aber auch jede starke Gefühlsregung, die im täglichen Miteinander im Rahmen von Konflikten auftritt, ist damit gemeint – ist ein Wechsel des Blickwinkels im richtigen Moment oft die Rettung. Sobald die Kontrolle über die eigene Emotion verloren geht und das Gespräch auf sehr persönlicher Ebene geführt wird, sind Angriff, Beleidigung und Erniedrigung zu erwarten. Sich in die Lage und die Perspektive des jeweils anderen zu versetzen bringt Verständnis, Empathie und die Fähigkeit, zugewandt und in Verbindung zu bleiben.
Der Perspektivenwechsel darf auch im Umgang mit uns selber ein „Tool“ werden – wir dürfen immer wieder mal den Blickwinkel ändern. Auf uns selber, auf unser Umfeld, auf das Arbeitsklima, auf die Beziehung, auf die Haltung, mit der wir den Menschen täglich begegnen!
Achtsam im Alltag dank Perspektivenwechsel
Nimm dir nur einige Augenblicke dafür Zeit, die Welt aus einem anderen Winkel zu betrachten: und alles erscheint nicht nur in einem anderen Licht, sondern es tun sich plötzlich neue Möglichkeiten auf, die man aus der eigenen Sicht nicht immer gleich erkennen kann! Das eigene Leben, die eigenen Beziehungen kurz mal „von aussen“ und mit ehrlichem Abstand zu betrachten, kann sehr hilfreich sein, wenn „Knoten“ gelöst und Themen bearbeitet werden wollen. Der Blick von aussen machen vieles sicht- und manchmal sogar greifbarer.
TIPP: Im Gespräch mit einer Coach oder psychologischen Begleiterin ist es dann noch ein Schritt weiter, den man gehen darf. Die eigenen Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Blickwinkeln machen sich da mehr als nützlich! >>> beziehungshaus.at