Windelfrei | Brauchen Babys eigentlich Windeln?

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Gastbeitrag von Tamara Beck, mamamal3.ch

Doch, das ist eine berechtigte Frage, wenn man bedenkt, dass ein Grossteil der Weltbevölkerung seine Kinder ohne Windeln aufzieht. Auch in der Vergangenheit waren Windeln längst nicht so lange ein Thema wie heutzutage. Die Wegwerfwindel, wie sie heute von vielen gerne genutzt wird, kam erst in den 70-er Jahren auf den Markt. Davor wurde mit Stoff gewickelt. Noch heute berichtet meine Schwiegermutter, was für eine Erleichterung das war. Sie hat nie verstanden, warum ich ausschliesslich mit Stoffwindeln gewickelt habe, aber immerhin, dass meine Töchter beide mit 1,5 Jahren schon mehrmals täglich erfolgreich auf’s Töpfchen gingen, das fand sie gut.
Aber zurück zu den Babys. Wer jetzt denkt, dass die ohne Windeln aufwachsenden Kinder bei anderen Völkern einfach ständig irgendwo hin machen, der irrt sich. So gut wie ein Baby spürt, dass es hungrig oder müde ist und sich mit diesem Bedürfnis bemerkbar macht, so spürt es auch, wenn es mal muss. Während ein hungriges Baby auch erst mal nur zaghaft signalisiert, indem es am Fäustchen lutscht oder Suchbewegungen macht, bevor es zu weinen beginnt, sind die Signale für „Ich muss mal“ eben auch nicht unbedingt sehr eindeutig. Plötzliche Unruhe, oder im Gegenteil plötzliche Ruhe, Strampeln, Quengeln etc. waren bei uns die Anzeichen dafür, dass meine Tochter mal musste. Ich reagierte darauf, indem ich ihr sie (untenrum nackig natürlich 😉 über ein Töpfchen hielt, das ich zwischen meine Beine klemmte. Mit einem Signallaut (bschsss…) gab ich ihr zu verstehen, dass sie jetzt ihr kleines oder grosses Geschäft erledigen darf, was sie dann meistens auch tat, ansonsten war es eben „falscher Alarm“ und ich habe sie wieder angezogen 😉

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Windelfrei heisst nicht zwingend ohne Windeln

Da ich, gerade am Anfang, bei Weitem nicht jedes Pipi erwischte (je kleiner die Babies, desto öfter müssen sie mal), trug meine Tochter meistens eine Stoffwindel oder eine Art Back-Up, also eine schnell zu öffnende und nicht viel auffangende „Minimal-Windel“. Auch zog ich ihr natürlich keine Strampler andern, sondern Split-Pants oder im Schritt offene Hosen (eher zuhause), über die ich ihr dann das Back-Up mit einer Einlage anlegte. Die Einlage konnte bei einer Panne schnell gewechselt werden.
Signale sind natürlich nicht das einzige, worauf man reagieren kann. Es gibt auch Standardsituationen, in denen so gut wie jedes Baby mal muss – sichere „Treffer“ also. Und diese hat man in der Regel nach dem Aufwachen, während oder nach den Mahlzeiten, aber auch z.B. beim nach Hause kommen etc. Deshalb kann man „windelfrei“ auch prima betreiben, wenn man sein Baby nur in diesen Situationen abhält, auch wenn es z.B. nur nach dem Schlafen macht. Man nennt das dann einfach „Teilzeit-windelfrei“. Gerade Mamas mit weiteren Kindern zuhause oder mit Babys, die ansonsten kaum signalisieren, ist das eine gute Lösung… Bei Naturvölkern funktioniert das Abhalten übrigens vor allem deshalb so gut, weil die Babys dort fast ausschliesslich getragen werden und beim Tragen signalisierten auch meine Kinder immer deutlich, indem sie sich fast aus dem Tuch herausgewunden haben, wenn sie mal mussten.

Warum eigentlich windelfrei?

Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, innerhalb der ersten Wochen nach der Geburt, das Experiment windelfrei zu starten. Man festigt die Bindung zum Kind noch mehr, denn Windelfrei ist vor allem Kommunikation (man liest deshalb auch den Begriff „Ausscheidungskommunikation“ oder engl.: elimination communication). Das Baby signalisiert mir sein Bedürfnis, ich reagiere darauf und gebe ihm wiederum zu verstehen, dass es jetzt lospullern darf, worauf es sich entleert. Gerade am Anfang, wenn man fast in Symbiose mit dem kleinen Menschlein lebt, funktioniert das wirklich prima.
Dass man Windeln und damit Müll (u/o Wäsche) spart und die Umwelt schont, ist logisch. Es schont aber auch die Nerven, da besonders der Stuhlgang bei Windelfrei-Kindern ein sicherer Treffer ist (auch bei Babys, die nicht abgehalten werden, merken sogar Aussenstehende oft, wenn das Baby beginnt, zu drücken ;). Ergo: kein im Rücken bis zum Nacken voll gesautes Baby, das einen kompletten Kleiderwechsel benötigt und das ausgerechnet dann, wenn man eh schon spät dran ist für einen Termin.
Viele Eltern haben auch grosse Mühe damit, die sensible Haut ihres Babys zu schützen. Windelfrei in Kombination mit Stoffwindeln beugt Rötungen und einem wunden Po vor. Wer sich einmal intensiver mit „windelfrei“ auseinander gesetzt hat und sein Baby regelmässig abhält, der bekommt auch einen ganz anderen Blickwinkel auf die Windel-Thematik. Plötzlich findet man es seltsam, zu erleben, wie vor allem auch ältere Kinder quasi „ihre Toilette am Po mit sich herumtragen“, obwohl es natürlich die Norm ist. Und das wäre auch ein nicht zu unterschätzender Vorteil von windelfrei: während Babys, auf deren Signale man nie reagiert hat, nach rund 3 Monaten resignieren und das Gespür für ihre Ausscheidungen verlernen, bleibt dies Windelfrei-Kindern erhalten (übrigens tendenziell auch bei Stoffwindel-Kindern, da diese Windeln nicht sofort alles aufsaugen und sich gleich wieder trocken anfühlen). Damit ist es später, auch wenn sie entwicklungsbedingt mal eine Windelfrei-Pause einlegen weil z.B. das Laufen lernen gerade wichtiger ist, einfacher, sie ans Töpfchen zu gewöhnen. Diese Kinder sind in der Regel früher trocken, oft vor dem 2. Lebensjahr. 

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Wie kann man „windelfrei“ anfangen?

Ganz einfach: halte Dich an die oben beschriebenen Standardsituationen u/o lass Dein Baby zwischendurch mal eine Weile nackt strampeln und beobachte es. Bald wirst du merken, ob und welche Signale einem Pipi voraus gehen. Viele Eltern berichten auch, dass ihre Babys genau dann lospinkeln, wenn man ihnen die Windeln abmacht. Also schnell über einer Schüssel neben dem Wickeltisch oder über dem Lavabo abhalten und die Unterlage bleibt sauber. Das grosse Geschäft zeigen Babys ja meistens sehr eindeutig.
Wie bereits erwähnt, ist es nicht das Ziel, möglichst viel aufzufangen, sondern in Kommunikation mit Deinem Baby zu treten und Spass zu haben. Zwischendurch eine Windel anzuziehen, schadet überhaupt nicht. Windelfrei sollte weder für Dich noch Dein Baby zu Stress ausarten, sondern Freude bereiten.
Abhalten kannst Du Dein Baby am besten wenn Du es mit Deinem Rücken an Deinen Bauch lehnst und mit Deinen Händen in seinen Kniekehlen hältst – das ist eine optimale Position, die dem Baby signalisiert, dass es jetzt „loslassen“ kann. Ein Geräusch Deinerseits dazu ist optional, schadet aber sicher nicht. Babys, die gerne beim Stillen ihr Geschäft erledigen, stillt man in der Wiegehaltung mit Töpfchen unter dem Po. Das funktioniert meist gut. Viele Babys docken sowieso mehrmals unruhig ab und wieder an, wenn sie mal müssen. Und jetzt probier‘ es einfach mal aus und berichte gerne, ob es geklappt hat! 

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Über die Autorin:

Tamara Beck ist Journalistin und bloggt seit 8 Jahren auf Mama mal 3 über ihren Alltag als Mama. Seit 5 Jahren betreibt sie zudem mit Nestwärme eine informative Website rund um die bindungsorientierte Elternschaft. Sie ist ausgebildete Trageberaterin und Windelfrei-Coach.

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