Bei Anrufen oder Emails aus dem Kindergarten schrillen schnell die Alarmglocken: Kind krank? Änderungen beim Personal? Gruppenschließung wegen Personalmangel? Heute war es nichts von alldem, es war der Hinweis auf den Kindergarten Streik am 24. Oktober. Wiens Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen gehen nämlich auf die Straße. Viele private Einrichtungen sind geschlossen, bei den städtischen gibt es maximal Notbetreuung. Und jetzt?
Jetzt könnte ich mich ärgern, darüber dass ich für den Tag Kinderbetreuung organisieren muss oder darüber, dass ich – aufgrund von fehlenden Familien in der Nähe – mit meinem Mann aushandeln muss, wer an dem Tag einen Arbeitstag „verliert“. Ja, das ist mühsam! Aber gleichzeitig ist es wichtig! Und deshalb ärgere ich mich nicht über den Streik, sondern darüber, dass es überhaupt so weit kommt und dass die Politik nicht endlich was für die Elementarpädagogik tut.
Ein besonderer Ort
Der Kindergarten ist nämlich so viel mehr als ein Ort, an den wir unsere Kleinsten für ein paar Stunden abgeben. Er ist eine Bildungseinrichtung. Und zwar nicht irgendeine, sondern die erste, in die wir unsere Kinder entlassen. Es ist bei vielen das erste Mal, dass Kinder fremd betreut werden. Es ist der Ort, in dem unsere Kinder das erste Mal längere Zeit ohne Mama und Papa auskommen, der Ort an dem sie erste Freundschaften schließen, der Ort an dem sie zum ersten Mal lernen, was es heißt Teil einer größeren Gruppe von Gleichaltrigen zu sein, sich durchzusetzen oder eben auch mal nachgeben zu müssen. Ein Ort des Lernens und Wachsens.
Ihr seht schon, ich bin ein Fan vom Kindergarten und auch ein Fan von den Menschen, die dort arbeiten. Egal ob PädagogInnen, AssistenzpädagogInnen oder AssistentInnen – sie alle machen einen unglaublich wichtigen Job. Doch leider ist es ein Berufsfeld, das immer noch zu wenig wertgeschätzt wird und ein Bereich, in dem es viele Missstände gibt.
Aufmerksamkeit ja, Veränderung nein
Auf diese Missstände wurde in den letzten Jahren immer wieder hingewiesen, es gab des Öfteren Streiks, Kundgebungen, Medienberichte über Personalnotstand. Doch viel getan hat sich nicht. Ganz im Gegenteil, es wird immer schlimmer: Laut der Gewerkschaft younion fehlen allein in Wien in öffentlichen Kindergärten mittlerweile 570 Elementarpädagoginnen und -pädagogen.
Überarbeitet und nicht wertgeschätzt
Dieser Mangel macht sich auch bei denen bemerkbar, die noch da sind: Viele Pädagoginnen und Pädagogen sind überarbeitet. Gerade wenn sich jetzt im Herbst Krankenstände wieder häufen, wird es oft eng. Auch bei uns im Kindergarten wurden in den letzten Tagen und Wochen Gruppen zusammengelegt, weil einfach keine PädagogInnen mehr da waren.
Wie prekär die Lage ist, zeigt auch eine Umfrage der younion-Kindergartengewerkschaft, an der mehr als 6.000 Beschäftigte teilgenommen haben:
- 94 % geben an, dass die Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren zugenommen hat
- Rund 60 % müssen regelmäßig Überstunden leisten
- Bei 66 % sind Stellen offen, die nicht nachbesetzt werden (können)
- 33 % des Personals sieht sich an der Belastungsgrenze, 38 % stufen die Belastung als „Sehr Hoch“ ein
- Die Hälfte der Befragten gibt an, dass der Personalmangel bereits zu gefährlichen Situationen geführt hat
- 97 % fühlen sich von der Politik nicht wertgeschätzt
Neben dem Personalmangel wird auch kritisiert, dass sich das pädagogische Fachpersonal nicht auf die eigentlichen Aufgaben konzentrieren kann. Reinigungstätigkeiten und administrative Aufgaben nehmen viel Zeit in Anspruch, Zeit die besser in unsere Kinder investiert werden sollte. Große Gruppengröße und eine Bezahlung, die der Verantwortung und Aufgabe nicht entspricht, tun ihr übriges dazu, dass der Beruf der Kindergärtnerin bzw. des Kindergärtners immer unpopulärer wird bzw. viele Pädagoginnen und Pädagogen mit dem Gedanken spielen, den Beruf zu wechseln.
Versprechen und Forderungen
Anfang September hat der österreichische Bundeskanzler versprochen, dass bis 2030 4,5 Milliarden Euro für Elementarpädagogik investiert werden sollen. Das klingt vielversprechend, aber die Skepsis bei Gewerkschaften und Fachverbänden ist groß. Laut younion ist weder klar, wo das Geld herkommen, noch wofür es genau verwendet werden soll. Klar ist die younion aber sehr wohl in ihren Forderungen:
- Einheitliche Ausbildung und Bezeichnung für das unterstützende Personal (Assistentinnen und Assistenten) in ganz Österreich
- Reinigungspersonal, um Assistent:innen zu entlasten
- Administratives Personal, um die Leiter:innen zu unterstützen
- Multiprofessionelle Teams mit diversem Fachpersonal in ganz Österreich
- Aus- und Weiterbildungsoffensive in ganz Österreich
- Mehr Personal und weniger Kinder in den Gruppen
- Mehr Geld für den Sektor der Elementarpädagogik
Was können Eltern tun?
Jetzt, wo wir die Problematik und die Forderungen kennen, bleibt noch die Frage: Können wir als Eltern etwas tun und wenn ja was? Ich finde wir können vor allem Verständnis zeigen für die Pädagoginnen und Pädagogen und für den ganzen Sektor.
Das heißt für mich zu akzeptieren und anzunehmen, dass die Kinder am 24. Oktober eben nicht auf ihre Roller steigen, um in den Kindergarten zu flitzen, sondern zuhause bleiben – auch wenn ich einen Arbeitstag „verliere“. Schließlich sind es dann auch unsere Kinder, die von besseren Rahmenbedingungen profitieren und auch wir Eltern geben die Kinder mit einem besseren Gefühl im Kindergarten ab, wenn ausreichend zufriedenes(!) Personal vor Ort ist.
Zum Schluss noch ein Tipp: Darüber, wie der ideale Kindergarten aussehen könnte, gibt es eine interessante Folge im Podcast „Erklär mir die Welt!“ von Andreas Sator. Der Podcast ist schon etwas älter aber trotzdem brandaktuell!