Selbstregulation bei Kindern Wie geht das im Alltag?

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„Mama, ich will Schokolade haben!“ „Ich will den Film anschauen!“ „Ich will……!!“ viele ihrer Wünsche äußern Kinder lautstark, wehement und mit vollem Körpereinsatz. Das ist ihr gutes Recht, schließlich sollen sie für ihren Willen eintreten und sich für sich stark machen. Wie wir als Eltern damit umgehen, ist die andere Sache. Selbstregulation lernen Kinder langsam Schritt für Schritt und mit vielen Beobachtungen ihrer eigenen Aktionen. Sie spüren Selbstwirksamkeit, in dem sie im Alltag eingebunden sind und sich ausprobieren können und merken, dass es einen Unterschied macht, ob sie in der Gesellschaft willkommen und integriert sind oder außen vor gelassen werden „Geh, das ist nichts für Kinder!“ war ein Satz, den ich oft gehört habe. Meine Aktionen haben sich nach diesen Erfahrungen erst mal in Grenzen gehalten, was natürlich sehr schade ist.

Es liegt an uns, den Weg vorzuleben, den wir für gut befinden. Mehr als das, der Weg wird Maßstab und Kompass für den Start ins Leben unserer Kinder sein.

Ab etwa zwei oder drei Jahren sind sowohl der Zuckerkonsum, als auch digitales Entertainment so gut wie täglich Thema. Je nachdem, ob ältere Geschwister oder der Einfluss von anderen Kindern dazu kommen, auch schon früher. Weil wir als Vorbilder agieren, halte ich das komplette „Verbot“ bzw. den Verzicht (in unserem Leben) für nicht durchführbar. Ich esse gern Süßes und ich nutze mein Smartphone und das Laptop täglich. Mehrmals täglich.

Kinder sind eigenständige Personen. Trauen wir ihnen Selbstregulation einfach mal zu!

Der freie Zugang zu Essen und die Entscheidung über den eigenen Körper, die Wünsche und Bedürfnisse bzw deren freie Äußerung sind immens wichtig. Ich nehme deutlich davon Abstand, meinen Kindern je etwas mit Gewalt anzuordnen oder wegzunehmen. Bereits ganz kleine Kinder sind in der Lage zu kommunizieren, was sie wollen und was nicht. Das beste Beispiel dafür ist „Ach, ein Löffel Brei geht noch.“ NEIN, der geht nicht, wenn das Baby genug hat, hat es genug.

Selbstregulation ist eine tolle Sache, was das Essen betrifft: Menschen (auch die kleinen) wissen von Beginn an genau, was sie brauchen. Der Bedarf an Nährstoffen ist nicht jeden Tag gleich und hängt von vielen Faktoren ab. Ganz unterschiedlich können auch die Mengen an Nahrung sein, die ein Kind braucht. Da vertraue ich ihnen von Beginn an komplett, ich habe beide nach Bedarf und über viele Monate voll gestillt und mich dabei von ihrem Bedürfnis leiten lassen. Besonders wunderbar war die Beobachtung, wie Kinder essen lernen, wie sie die Lebensmittel erfahren und begreifen und was sie davon essen. Mit etwa 1 bis 2 Jahren zeigt sich ganz deutlich, wann mehr Energie in Form von  Kohlehydrate zum Wachsen und Werden nötig ist und wann sie Eiweiß brauchen. Diese Freiheit am Esstisch klappt solang, bis Zucker ins Spiel kommt. Die komplette Selbstregulation überfordert dann Kleinkinder meiner Erfahrung nach: Es ist herrlich, naschen zu können, bis einem der Bauch weh tut, aber hey, lernt ein Kind dabei wirklich? Oder nascht es tags darauf wieder ohne Ende?

Lebensmittel mit Suchtpotential

Lebens- bzw. Genussmittel, die wir so kennen und meist täglich konsumieren machen da was in uns: Wir wollen immer mehr.

Beim Zucker ist es relativ einfach, für Ausgewogenheit zu sorgen:

  • gemeinsam einkaufen
  • Mitspracherecht walten lassen
  • kleine Mengen einkaufen
  • Alternativen zu Industriezucker entdecken
  • selber backen

Unterhaltung mit Suchtpotential

Fernsehen oder digitale Unterhaltung allein regulieren zu lassen, halte ich für problematisch.

Wie sollen Kleinkinder mit potentiell suchtauslösenden Einflüssen umgehen können, wenn wir Erwachsenen es kaum schaffen?

Demnach handeln wir bei uns auch: Die Kinder haben den Zugang zum iPad, auf dem sie Apps zum Spielen haben und YouTube Kids. Sie wissen aber, dass sie fragen müssen. Ich schaue auf die Uhr, wir vereinbaren eine bestimmte Zeitspanne und in der Mehrzahl der Fälle halten sie sich gut daran. Selten gibt es eine Verlängerung der üblichen 20-30 Minuten, beispielsweise wenn wir im Auto längere Strecken fahren. Sobald ich merke, dass die Stimmung nicht gut ist, oder wir eine eher hektische Phase durchmachen, lassen wir auch tageweise das Schauen ganz weg. Das ist verständlicherweise manchmal mit Unmut verbunden, aber da sehe ich mich in der Rolle, die Regulation zu übernehmen. Ich erkläre ihnen immer warum ich dann so handle.

Beim Verlangen nach Zuckerzeug, Filmen / Serien handelt es sich eindeutig um Wünsche! Das muss man für sich selber ganz klar von den Bedürfnissen abgrenzen und dem entsprechend handeln. Oft gibt es deshalb Aufregung, manchmal auch Zorn, Wut und Tränen. Das ist nicht einfach, aber da sind wir als Eltern gefordert, diese Phasen gut zu begleiten.

HÖR DAZU DEN MAMA-COACHING-PODCAST „Wunsch oder Bedürfnis?“

Der schwierigste, aber sicher der beste Weg führt über bedingungslose Liebe und ganz viel Zeit. Wenn wir dem Kind die nötige Aufmerksamkeit verwehren, versucht es dieses Bedürfnis zu kompensieren. Das geht in der virtuellen Welt besonders gut! Hier kann man „Held“ sein, seinen Willen ausleben und selbstbestimmt agieren….

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Zähneputzen, waschen & schlafen gehen – sich an die Selbstregulation herantasten

Bei vielen Kindern ist es die Routine, die ihnen hilft, in den Tag zu finden und sich am Abend zurückzunehmen. Das war bei uns nie ein großes Thema, denn Schlaf fand bei uns (wie anfangs das Stillen und immer noch die Zwischenmahlzeiten) immer nach Bedarf statt. Meine Kinder haben viel und oft untertags geschlafen und machen das heute noch. Wenn sie müde sind, dann halte ich sie auch nicht davon ab. Abends ist dann nicht früh Ruhe, weil sie tendenziell eher lange fit sind, aber ich empfinde es als zu grob, jemand davon abzuhalten, sich auszuruhen.

Der Ablauf, wenn wir daheim sind, ist doch immer annähernd der selbe: Wir essen um 18.00, dann gibts ein Stück Süßes und anschliessend gehen wir ins Badezimmer. Zähneputzen ist unumgänglich für mich: Wir putzen auf jeden Fall. Oft mit viel gutem Zureden, mit einem Lied oder einem Reim. Vor ein paar Jahren haben wir mal eine Zahnputz-App getestet. Warum ich dabei so streng bin? Weil wir in den letzten Monaten mehr als 5 Besuche beim Zahnarzt absolviert haben. Leider ist Karies in den Milchzähnen und 2 mussten bereits saniert werden…. und das dürfte kein Problem mangelnder Hygiene sein, sondern einfach an den Zähnen liegen. Traurig genug, dass meine Tochter mit sechs Jahren schon zwei Füllungen haben muss, da möchte ich einfach kein weiteres Risiko eingehen. Diese Bedenken kommuniziere ich genau so. Ich bin der Meinung, Kinder ertragen die Wahrheit. Ohne Angst zu schüren, aber deutlich und mit klaren Worten, warum mir wichtig ist, dass wir die Zähne so lange wie möglich gesund erhalten. Eben mit täglichem Zähneputzen.

Weniger „wenn…. dann“ und mehr gemeinsam sein

Von „Wenn du dir die Zähne nicht putzt, dann bekommst du keine Süßigkeiten.“ halte ich nicht viel, das funktioniert auch nicht gut auf Dauer. Mir ist es wichtig, sie verstehen die Thematik und machen es dann freiwillig. Wenn es länger dauert, dauert es eben länger. Oder sie putzen in der Badewanne, auf der Couch oder im Bett oder eben am nächsten Tag doppelt so gründlich. Kompromisse dieser Art bewirken manchmal kleine Wunder…

Bei Kleinkindern ist ein besonderes Zähneputz-Ritual, eine Geschichte mit einer Handpuppe oder auch nur eine besonders tolle Zahnbürste oft schon ausreichend. Lieder, Reime und dergleichen helfen bestimmt auch bei vielen Kindern. Das Wichtigste ist aber wie immer die Vorbildwirkung. Warum nicht gleichzeitig die Zähne putzen? So haben die Kids nicht das Gefühl eine „Sonderbehandlung“ zu brauchen, es ist einfach normal.

In den vergangenen 6,5 Jahren habe ich so oft gemerkt, dass ein Mittelweg mit viel Ehrlichkeit, Authentizität und ohne zu dramatisieren einfach gut zu uns passt. So, wie ich auch einem lieben Freund oder einer erwachsenen Person erklären würde, warum es JETZT nicht passt, zu glotzen oder warum wir täglich die Zähne sauber putzen, so erkläre ich es auch meinen Mädchen. Mit vielen Wiederholungen kommt das bestimmt auch an.

„Ich ziehe das nicht an!“

Auch die Kleidung ist – in unterschiedlicher Ausprägung – aber doch phasenweise ein Thema. Das behandeln wir dann auch so: Wenn es wichtig ist, dass die Mädchen sich selber was aussuchen können, dann steht zumindest ein anderes Shirt oder eine Hose in einer anderen Farbe zur Auswahl bereit. Die „Sommersandalen-im-Winter“-Diskussion umgehe ich, in dem ich ihnen die liebsten Sandalen in der Wohnung anziehen lasse, quasi zum Verkleiden, bzw. sie nach dem Sommer weg räume. Komplett aus Sicht.

Wir hatten auch schon den Fall, dass morgens gar nichts passte, dann ging meine Tochter auch schon mit dem PJ in den Kindergarten. Da bin ich recht „frei“.

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Wenn es um Hauben oder Handschuhe oder die warme Jacke geht, lass ich es ihnen frei, ob sie sich gleich drin anziehen wollen, oder erst vor der Tür. In der frischen Luft geht vieles leichter! Da lasse ich der Selbstregulation völlig freien Lauf, denn ich bin sicher, wenn ihr wirklich kalt wird, zieht sie die Sachen an.

„Führen heisst vorangehen.“

Linda Syllaba

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One thought on “Selbstregulation bei Kindern Wie geht das im Alltag?

  1. Ein toller Beitrag. Vor kurzem habe ich bei Pinterest einen gelesen, in dem die Mutter Medien und Zucker den Kindern zur Selbstregulation zur Verfügung stellt.

    Das finde ich völlig an der Aufsichtspflicht vorbei.

    Wenn man mal bedenkt, dass zu viel Zucker in den ersten Jahren nun mal wirklich schadet. Nicht nur die Zähne und das Gewicht leiden auf Dauer, auch die Bauchspeicheldrüse zb.

    Und Medienkosum, gehört dazu aber wenn ich mein Kind machen lassen würde, würde es an manchen Tagen vermutlich stundenlang davor hocken. Und da schreit doch der gesunde Mama Verstand ganz von alleine: halt! 😃

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