„Von der Erziehung zur Einfühlung“ Mein Interview mit Naomi Aldort

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Mama-Coaching Special – Naomi Aldort

Eine der inspirierendsten Persönlichkeiten, denen ich bisher begegnen durfte ist Naomi Aldort. Sie ist Familienberaterin, Begleiterin und Coach, Autorin („RAISING OUR CHILDREN, RAISING OURSELVES“) und Mama von inzwischen erwachsenen Kindern. Ich durfte die kraftvolle und berührende Frau treffen und hatte die wundervolle Möglichkeit, mit ihr zu sprechen und ihr Fragen zu stellen.

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Hier könnt Ihr das komplette und ungekürzte, ins Deutsche übersetzte Interview nachlesen:

Interview mit Naomi Aldort

Wie würden Sie Ihren Erziehungs-Ansatz beschreiben?

Ich versuche keinen bestimmten Ansatz oder eine fixe Idee zu verfolgen – außer das Leben zu respektieren und von Liebe geleitet zu werden. Wenn ein Baby auf die Welt kommt, dann ist es nicht unseres. Es kommt nicht von uns, es kommt durch uns und es hat sein eigenes Leben. Wenn wir das respektieren, dann ist das die Basis meines Ansatzes. Es kann viele Wege der Erziehung geben, innerhalb derer wir darauf vertrauen, dass Menschen von sich selbst geleitet werden und der konsistente Faktor Liebe ist. Manchmal nenne ich es „Authentic Parenting“, manchmal bringen die Menschen mich mit „Attachment Parenting“ in Verbindung. Einige meiner Klienten bringen ihre Kinder in alternative Schulen, manche unterrichten zuhause. Unabhängig von dieser Entscheidung,  können sie ihre Haltung gegenüber ihren Kind leben. Eine Haltung, die geleitet ist von Authentizität und Respekt vor dem Leben. Das Kind ist eine eigene Person, schon vom ersten Tag an! Das ist mein Weg und meine Einstellung. Ich möchte nicht in eine Schublade der existierenden Erziehungs-Bewegungen  gesteckt werden. Auch nicht in die „Attachment Parenting“ Richtung: Viele der Vorreiter lehren nicht, was ich lehre. Ich inkludiere auch die Idee: „Wie erziehe ich ein starkes Kind“, –  nicht nur ein verbundenes.

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Das Wort „attachment“ hat im Englischen auch einige negative Bedeutungen. Ich spreche daher lieber von „healthfully bonded“(„gesund verbunden“), aber nicht abhängig. In meinen Beratungen sehe ich oft Menschen, die sich sehr auf „Attachment Parenting“ einlassen, dann müssen wir zusammen wieder auflösen lösen, was sie geschaffen haben: Eine Form von Bedürftigkeit und Abhängigkeit. Wir können jederzeit gesund verbunden sein, aber mir ist es wichtig, dass der Schwerpunkt immer auf der Perönlichkeitsentfaltung des Kindes liegt und es keinesfalls durch falsch verstandene Loyalität zu unserer Bindung eingeengt wird. Da geht es nicht nur um Ausgewogenheit, da sind wirklich andere Qualitäten von den Eltern gefordert.

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Was ist Ihre Mission? Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich dem „Authentic Parenting“ verschrieben haben?

Meine Mission ist eigentlich Frieden auf der Erde zu schaffen. Die nächste Generation wird die Welt leiten. Die momentane Generation macht ihre Aufgabe nicht gut, wir könnten unseren Planeten und die Menschheit verlieren, wenn wir so weitermachen.

We are fighting reality, we are fighting the child.

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Das heißt, wir müssen, eine nächste Generation großziehen, die komplett unterschiedlich ist, als bisher. Denn bisher ist es so, egal, ob wir nun physisch in den Krieg ziehen oder nicht: Wir haben Krieg in uns. Wir bekämpfen die Realität und wir bekämpfen das Kind. Wir formen das Kind gegen seinen Willen. Wir bringen es dazu, dieses und jenes zu tun. Sagen ihm, dieses und jenes zu unterlassen – besonders in Schulen. So sind viele der heutigen Eltern aufgewachsen und das ist es, was wir durchbrechen sollten, damit wir Menschen mit innerem Frieden aufziehen können. Denn wenn wir keinen Krieg in uns tragen, dann bekriegen wir uns nicht. Die einzige Hoffnung für Frieden auf der Welt ist, Menschen groß zu ziehen, die in Frieden mit sich selber sind.

Ich lerne täglich so viel von meinen Töchtern! Was hätten Sie gern gewusst, bevor sie Mama geworden sind? Was würden Sie heute mit dem Wissen und der Erfahrung anders machen?

Das ist eine wunderbare Frage! Sie können meine Kinder fragen… Ich habe sehr viel von ihnen gelernt. Das Experiment Kindheit dauert so achtzehn oder zwanzig Jahre. Man zieht die Kinder groß und wenn sie erwachsen sind –oder manchmal schon als Teenager- sagen sie einem, wie „the run“ war. Wie war die „Fahrt“ durch die Kindheit? – Sie erzählen Dinge, die einem nicht bewusst waren.

When they are teenagers they will tell you „how the run was“!

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  • „WAS? Wann ist das passiert?“
  • „Ich habe nicht gewusst, dass ich das getan habe!“
  • „Oh, Du hättest es so gebraucht? Das hab ich nicht registriert.“

Mir ging es genauso! Ich bin nicht perfekt als Elternteil. Es ist so erfrischend, so viel zu lernen. Eines meiner Kinder konfrontierte mich mal mit einer Menge an Kritik, es ging den ganzen Tag. Er erzählte auch viel über seine Freunde (die meisten davon stammen aus Mainstream-Familien, die ihre Eltern nicht viel kritisieren und sehr loyal sind). Ich sagte zu ihm: „Wir kennen so viele Menschen, die sich wenig beschweren. In Anbetracht dessen, wie du aufgewachsen bist, ist es erstaunlich, wie viel Beschwerden es von dir gibt.“ Er sagte: „Du hast mich erzogen, meine Gefühle frei zu äußern, zu sagen, wie es mir geht. Auch wenn ich Kritik üben will.“ „Ist das ein Kompliment?“ war meine Frage an ihn. „JA, absolut!“ sagte mein Sohn.

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Ich denke, ich würde nicht alles ganz gleich machen, ich habe viel gelernt. Nicht meine Prinzipien betreffend aber einige Details und Umsetzungen würde ich, wie viele andere auch, beim zweiten Mal anders machen. Das hat viel mit unserer Persönlichkeit zu tun und wo wir uns in unserer persönlichen Entwicklung gerade befinden. Was ich anders machen würde, ist mehr auf den zweiten. Teil meines Buchtitels zu achten „RAISING OURSELVES“. Ich würde, viel mehr an mir selbst und meinen Ecken und Kanten arbeiten, daran, wo ich Reaktionen statt Antworten habe. Daran, wo ich zu perfektionistisch war und zu viel kontrolliert habe. Ich würde an Dingen arbeiten, die meinen Kindern Angst gemacht haben oder wo ich ihnen nicht so helfen konnte, wie ich es gewollt hätte. Wo ich nicht bewusst gehandelt habe, oder ich mir nicht bewusst war, was vor sich ging. Gleichzeitig ist klar: Auch wenn ich es nochmal machen und vieles verbessern würde, ich bliebe ich selbst. Ich würde dann dafür andere Sachen übersehen, aber das ist menschlich. Ich sage den Eltern immer: „Versucht nicht so perfekt zu sein. Eure Eltern waren nicht perfekt und Ihr seid es nicht. Es gibt keine Menschen, die nicht an sich emotional arbeiten müssen. Es gibt keine perfekt-glücklichen Menschen. Wir alle haben unsere Probleme und das ist ist in Ordnung so!“

I’m not a perfect parent! It’s so enlivening to learn so much.

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Auf Englisch sagt man „grist for the mill“ – das Material, das Getreide, das man in die Mühle schüttet. Wir brauchen Material, mit dem wir an uns selber arbeiten können. Selbst wenn wir perfekt wären müssten wir immer noch  in einer Welt mit unperfekten Menschen leben, wie sollte das funktionieren?

Ich würde vieles anders machen, was aber nicht garantiert, dass ich nicht an anderer Stelle was übersehen würde. Aber ja,, ich würde viele Dinge anders machen.

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Sie haben tausende von Eltern als Klienten – wie gehen diese mit den Einflüssen auf ihre Kinder von außen um? Einflüsse, die nicht zur Philosophie von „Authentic Parenting“ passen.

Das ist sehr schwierig, dazu gibt es nicht die eine Antwort. Ich habe so unterschiedliche Eltern, die ich begleite und ich berate sie individuell unterschiedlich, abhängig von den Lebensumständen, wo sie leben und was verfügbar ist. Manche versuchen in eigenen Gemeinschaften zu leben. Wenn ihre Kinder daheim statt in Schulen unterrichtet werden, ist es einfacher, sie von Einflüssen fern zu halten und auszuwählen, mit wem sie beisammen sind. Viele Eltern können das aber nicht, ihre Kinder sind in Schulen. Dann betone ich immer, wie wichtig es ist, was zuhause gelebt wird und wie wichtig es ist, die Kinder mit dem Leben außerhalb der Schule in Berührung zu bringen. Es gibt da nichts zu  fürchten. Das ist vielleicht etwas, das ich anders machen würde. Das Kind zu sehr vor etwas beschützen zu wollen, macht es eventuell ängstlich, anstatt es darin zu bestärken, mit sich selbst im Einklang zu sein und dadurch mit äußeren Einflüssen umgehen zu können.

Wenn man stattdessen unterschiedliche Erfahrungen in einer Gesellschaft macht, die die Unterschiede der Menschen abbildet, sehen Kinder, dass es immer mehrere Wege im Leben gibt. Dann sprechen wir über die unterschiedlichen Werte, was sie bedeuten und wie sie uns beinflussen. So erkennt das Kind, dass es immer viele Wege gibt, zwischen denen es wählen kann und, dass es wichtig ist, sich dabei immer wieder zu fragen:Was will ich und wer bin ich? Wir wollen sie zu Menschen erziehen, die mit sich im Einklang und voll Frieden sind. Warum sollten sie sich dann für etwas entscheiden, das nicht wirklich aus Liebe, Rücksicht und Verantwortung gemacht wird. Ja, das ist, kurzgefasst, meine Empfehlung. Manche Eltern schicken ihre Kinder in alternative Schulen, wie demokratische Schule, das sind Gemeinschaften und die sind auch nicht frei von schlechten Einflüssen, Die Kinder essen dort Junkfood, spielen Videospiele,sehen fern und beschäftigen sich mit ihren elektronischen Spielzeugen und Smartphones. Auch diesen Eltern sage ich: „Verbietet euren Kinder nicht den Umgang mit bestimmten Schulkollegen aber sprecht an, was euch auffällt  und diskutiert darüber.“ Sprecht die Themen an und schafft  Verbundenheit über Fragen, wie z.B.: „Wie denken wir darüber?“ Eure Kinder müssen sich nicht eurer Meinung anschließen, denn auch innerhalb der Familie darf es unterschiedliche Ansichten geben. Kinder sind ursprünglich loyal gegenüber ihrer Familie, aber ich habe meine Kinder bewusst nicht mit der Idee der Loyalität gegenüber Gruppen erzogen, sei es nun die Familie, eine Religion oder eine Nation. Da sind wir dann nämlich wieder beim Weltfrieden: Wir müssen Kinder großziehen, die sich mit der gesamten Menschheit in Loyalität verbunden fühlen. Wenn mich jemand fragt: „Wer bist du Naomi?“ – Dann antworte ich: „Ich bin ein Mensch auf dem Planeten Erde“.Das ist wichtig, anstatt zu unterscheiden in Männer, Frauen, Transgender, Schwarze, Weiße, Schweizer oder Österreicher oder Amerikaner. Alles was uns dieserart unterscheidet ist Nebensache. Das ist die Haltung mit der wir vorankommen können..

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Was sind Kernbotschaften, um Kinder selbstbewusst zu erziehen und zu glücklichen Menschen zu machen?

Tja, Glück kann niemand garantieren… Ich denke Erfüllung könnte ein Ziel sein, das wir uns setzen können. Ein Ziel, an dem ich mit den Eltern in meinen Workshops arbeite, ist ihnen Werkzeuge mitzugeben, um den Kindern die innere Verbundenheit mit sich selbst zu bewahren. Jedes Mal, wenn wir dem Kind sagen, es muss auf etwas oder jemanden hören, anstatt auf sich selbst zu hören, auf sein Inneres, darauf, wer es wirklich ist, bringen wir es weg von dieser Verbundenheit..Speziell in dieser Generation leben wir so sehr in unserem Verstand – Denken, Lernen, Wissen – das wir das Wichtigste versäumen. Das beginnt in Wahrheit in der ganz ersten Zeit: Stille ich das Baby, wenn das Baby gestillt werden will, oder wenn ich glaube es sollte gestillt werden? Lasse ich die Kinder bei mir schlafen oder dränge ich sie dazu, im eigenen Zimmer zu schlafen, nur weil sie jetzt 4 oder 5 Jahre alt sind und unabhängig werden sollen oder weil Verwandte sagen, dass es jetzt an der Zeit wäre? – Dadurch bekommen sie jedoch nicht die gewünschte Unabhängigkeit, sondern im Gegenteil. Sie lernen auf andere zu hören und verlieren sich: „Hör nicht auf Dich selbst“, ist die Botschaft die ankommt und:, „Mach das, was andere dir sagen“. Eines der Kern-Themen, die ich den Eltern mitgebe ist, die Eigenständigkeit des Kindes zu beschützen. Wer sie sind und wie sie mit sich verbunden bleiben. Wenn sie im Elternbett schlafen wollen und die Eltern lassen das zu, dann lernen die Kinder „Ich kann mir selbst vertrauen, ich weiß, wo ich schlafen möchte“ „Es ist richtig, was ich fühle“ „Ich brauche nicht dem Gruppendruck nachgeben, wenn ich älter bin“ „Ich lasse mich nicht berühren, wenn ich es nicht möchte, auch nicht sexuell, nur weil mir jemand sagt, ich solle das tun“. In Wahrheit beginnt das mit der Aufforderung: „Gib Oma zum Abschied einen Kuss!“ auch wenn das Kind das nicht will. Ich sage immer genau anders herum: –„Du brauchst Oma keinen Abschiedskuss geben, wenn du nicht möchtest! Du musst nicht. Nur wenn Du es willst“. Ich sage auch zur Großmutter: „Das Kind muss nicht, nur wenn es selber will. Es ist allein seine Sache, sein Körper“. Lass Dich nicht verleiten, die Integrität deines Kindes zu verletzen, nur um gut dazustehen und die Erwartungshaltungen anderer zu erfüllen. In meinen Seminaren ist es mir wichtig an der Tendenz vieler Eltern, sich an den Erwartungshaltungen anderer auszurichten, zu arbeiten, sie zu unterstützen an sich selbst zu arbeiten um sie zu befähigen selbständige, geerdete Menschen groß zu ziehen,  denn darum geht es beim Selbstvertrauen. Wenn sie sich selbst vertrauen und mit sich im Einklang stehen, dann können sie glücklich, erfüllt, erfolgreich, verantwortungsvoll und voller Liebe sein – das ist das natürliche Ergebnis, wenn jemand wirklich in sich selbst verwurzelt ist..

Das steht in Bezug zu dem, was Sie zu Beginn unseres Gespräches gesagt haben: Die Weichen werden bereits in den ersten Tages des Kindes gestellt?

Ja, sobald das Baby auf der Welt ist. Legt man es schlafen, weil man glaubt, es ist müde? Stillt man es, weil es nicht weiter schreien soll? Mit Kinder umzugehen, ohne auf ihre Gefühle und Bedürfnisse zu achten – ja, es beginnt wirklich in den ersten Tagen. Sie sollten lernen können, Erfolgserlebnisse haben können und entdecken können, was es sie drängt zu tun. Wir könne sie mit vielem in Berührung bringen aber wofür sie sich entscheiden, sollte ihnen überlassen bleiben.

Wofür sind Sie am meisten dankbar?

Was für eine Frage …!. Die einzige Antwort, die ich geben kann, ist: ;Ich bin dankbar, dass ich atme und am Leben bin. Dass ich hier mit Ihnen bin. Denn das ist es, was in diesem Moment geschieht.

Danke, Naomi. Es war mir eine große Ehre.

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